Workshopinhalte klinisches Airway-Assessment: Risiken erkennen, Sicherheit gewinnen

Die strukturierte, präoperative Evaluation des Atemwegs ist – entsprechend Empfehlung 1 der aktuellen DGAI-Leitlinie – ein essenzieller Bestandteil jedes sicheren Atemwegsmanagements. Das gilt nicht nur für die DGAI-Leitlinie, sondern auch für sämtliche nationalen und internationalen Empfehlungen. Und das aus gutem Grund: Nur wer potenzielle Schwierigkeiten frühzeitig erkennt, kann ein individuelles, risikoadaptiertes Vorgehen planen und im entscheidenden Moment sicher handeln.

In diesem Workshop trainieren Sie einen klar strukturierten, klinisch bewährten Untersuchungsablauf, der sich auch unter Alltagsbedingungen zuverlässig anwenden lässt – selbst unter Zeitdruck. Sie lernen, die entscheidenden Prädiktoren für eine erschwerte Atemwegssicherung systematisch zu erfassen – sowohl im Hinblick auf die klassische Intubation mit dem Macintosh-Laryngoskop als auch auf die videolaryngoskopische Intubation und den Einsatz supraglottischer Atemwege (SGA).

Ein besonderer Fokus liegt auf Risikofaktoren, die häufig übersehen werden – insbesondere solchen, die eine adäquate Oxygenierung behindern können, etwa durch erschwerte Maskenbeatmung oder eingeschränkte Funktion eines SGA. Sie lernen, diese Aspekte differenziert zu bewerten – zusätzlich zur eigentlichen Atemwegssicherung. Denn nur durch die kombinierte Einschätzung beider Risikogruppen – Prädiktoren für eine erschwerte Atemwegssicherung *und* Prädiktoren für eine erschwerte Oxygenierung – kann das tatsächliche Risiko fundiert beurteilt werden. So gewinnen Sie die Sicherheit, kritische Konstellationen frühzeitig zu erkennen und angemessen zu reagieren.

Ziel ist es, ein praxistaugliches und verlässliches Vorgehen zu erlernen, mit dem Sie auch diskrete Risikomerkmale sicher identifizieren. So können Sie kritische Verläufe frühzeitig erkennen – bevor sie sich im klinischen Alltag unerwartet zu Notfallsituationen entwickeln.

 

1. Spontanatmung erhalten oder nicht? – Leitliniengerecht entscheiden und handeln

Machen Sie sich bewusst: Die Intubation unter Spontanatmung und Analgosedierung wird bislang in der klinischen Praxis äußerst selten durchgeführt – aktuellen Daten zufolge nur in etwa 0,2 % der Fälle. Trotz 45 Mal höherer Komplikationsraten und eindeutiger, nationaler sowie internationaler Empfehlungen wird dieses Verfahren selbst bei Patientinnen und Patienten mit erwartet schwierigen Atemwegen bislang nur in 2,7% der Fälle angewendet.

Machen Sie sich bewusst: Eine Atemwegssicherung unter Spontanatmung sollte nicht erst dann zum Einsatz kommen, wenn sich sämtliche Risikofaktoren kumulieren – etwa ein erwartbar schwieriger Atemweg bei einem adipösen Patienten mit RSI-Indikation und zugleich ausgeprägten kardio-vaskulären und/oder pulmonalen Vorerkrankungen. Ziel ist es vielmehr, frühzeitig zu handeln: Nutzen Sie klinisch weniger komplexe Situationen gezielt, um Erfahrung mit dieser Technik zu sammeln. So gewinnen Sie Sicherheit und Routine – bevor Sie sie in kritischen Konstellationen souverän anwenden müssen.

Erkennen Sie, dass das in der DGAI-Leitlinie empfohlene Vorgehen bei erwartet schwierigem Atemweg nicht erst bei klassischen Hochrisikopatient*innen zur Anwendung kommt. Bereits einzelne, vermeintlich „harmlose“ Risikofaktoren für eine erschwerte Oxygenierung – wie ein Vollbart, Schnarchen, ein hoher Mallampati-Score oder ein BMI über 30 kg/m² – können in Kombination mit einer zu erwartenden schwierigen Atemwegssicherung ausreichen, um eine Strategie unter Spontanatmung nicht nur frühzeitig in Betracht zu ziehen, sondern auch konsequent und leitliniengerecht umzusetzen.

Machen Sie sich im Workshop mit dem DGAI-Algorithmus zum Vorgehen bei erwartet schwierigem Atemweg vertraut: Er eröffnet Ihnen einen klar definierten Handlungsspielraum – und das deutlich früher, als häufig angenommen. So gelingt es, die richtige Entscheidung rechtzeitig zu treffen – bevor kritische Situationen entstehen.

DGAI-Algorithmus zum Vorgehen bei unerwartet schwierigem Atemweg der S1-Leitlinie Atemwegsmanagement vom 21.08.2023
DGAI-Algorithmus zum Vorgehen bei unerwartet schwierigem Atemweg der S1-Leitlinie Atemwegsmanagement vom 21.08.2023 [Quelle]

Nutzen Sie den leitliniengerechten Handlungsspielraum im klinischen Alltag gezielt, um die Technik der Atemwegssicherung unter Spontanatmung nicht ausschließlich für hochkritische Ausnahmesituationen vorzuhalten. Vielmehr geht es darum, sie frühzeitig, strukturiert und geplant einzusetzen – auch bei moderaten Risikokonstellationen. Sie lernen, anhand einer fundierten Atemwegsevaluation auch weniger auffällige Risikopatientinnen und -patienten zuverlässig zu identifizieren – und Ihre Strategie entsprechend vorausschauend anzupassen. So gewinnen Sie kontinuierlich an praktischer Routine und stärken Ihre Handlungssicherheit – gerade auch für komplexere Situationen.

Auf diese Weise schaffen Sie die Basis für ein proaktives, risikoorientiertes Atemwegsmanagement, das nicht erst im Notfall greift, sondern potenzielle Gefährdungen frühzeitig erkennt und gezielt verhindert.

 

2. Airway-Risiko-Scores – strukturiert untersuchen, realistisch bewerten

Klassische Airway-Risiko-Scores, die mehrere Risikofaktoren kombinieren, wie der el-Ganzouri-, der Arné-Index oder andere Scoresysteme bieten einen wertvollen Rahmen für eine systematische Untersuchung. Lernen Sie, wie Sie mit Hilfe dieser Scores sicherstellen, dass Ihnen keine relevanten Parameter entgehen.

Seien Sie sich dabei stets bewusst: Airway-Risiko-Scores liefern keine verlässliche Vorhersage für eine schwierige Atemwegssicherung – auch wenn sie ursprünglich genau zu diesem Zweck entwickelt wurden, nämlich zur Einschätzung der Intubationsbedingungen bei direkter Laryngoskopie mit dem Macintosh-Spatel. Gerade bei videolaryngoskopischen Verfahren – insbesondere mit hyperangulierten Spateln, aber auch mit Macintosh-ähnlichen Varianten – stoßen diese Scores an ihre methodischen Grenzen.

Nutzen Sie diese Scores dennoch als strukturierende Werkzeuge – insbesondere zur Erkennung relevanter anatomischer Veränderungen, die die direkte Sicht auf die Glottis bei der klassischen, direkten Laryngoskopie einschränken - aber je nach Ausprägungsgrad auch für die videolaryngoskopische Atemwegssicherung relevant werden. Entscheidend ist hier weniger die „Prognosekraft“, sondern vielmehr die strukturierte, vollständige Erfassung kritischer Risikofaktoren.

Praxistipp: Nutzen Sie Airway-Risiko-Scores vor allem als strukturierte Checklisten – nicht zur Vorhersage, sondern zur vollständigen Erfassung!

 

2.1. Untersuchung klassischer anatomischer Parameter in fünf Schritten

Trainieren Sie ein reproduzierbares, strukturiertes Vorgehen zur klinischen Atemwegsuntersuchung – praxisnah, systematisch und sofort anwendbar. Diese nur wenige Sekunden dauernde Untersuchung erfolgt in einem klar strukturierten, reproduzierbaren Fünf-Schritte-Schema und gliedert sich in zwei Abschnitte: Zunächst werden zwei Parameter zur Beurteilung des Halses erhoben, anschließend folgen drei Schritte zur Untersuchung des Mundes.

Lernen Sie, zentrale anatomische Abstände rasch und zuverlässig mithilfe Ihrer eigenen Finger zu beurteilen – ohne Lineal oder Schieblehre. Messen Sie, wo ein bis drei Ihrer Finger 2 , 4 und 6 cm breit sind – das genügt, um im klinischen Alltag alle relevanten Distanzen im Rahmen der Atemwegsevaluation schnell und genügend akkurat einzuschätzen:

Untersuchung des Halses

1. Thyreomentaler Abstand: Bei maximaler Reklination des Kopfes messen Sie mit der Breite Ihrer Finger den Abstand zwischen Kinnspitze und oberem Schildknorpelrand, der Incisura thyroidea superior – als Luftlinie, nicht entlang der Haut. Relevant ist die Einordnung: unter 6 cm, zwischen 6–6,5 cm oder darüber.

2. Halswirbelsäulenbeweglichkeit: Bitten Sie die untersuchte Person zunächst um eine maximale Flexion der Halswirbelsäule. Zu Beginn kann Ihnen ein einfacher Stift als Orientierungshilfe dienen: Platzieren Sie ihn horizontal auf der Stirn, um den Bewegungsamplitude zwischen Reklination und Flexion visuell besser einschätzen zu können. Bei vollständiger Reklination sollte der Stift waagerecht ausgerichtet sein – bei anschließender Flexion sollte das Kinn idealerweise die Brust berühren und der Winkel zwischen den Positionen mindestens 90° bzw. 100° betragen.

Bereits nach wenigen Wiederholungen entwickeln Sie ein sicheres Gespür dafür, ob die Beweglichkeit eingeschränkt (unter 80°), grenzwertig (80–90°) oder unauffällig (über 90° bzw. 100°) ist – auch ohne technische Hilfsmittel.

Untersuchung des Mundes

3. Prognation: Prüfen Sie, ob die unteren Schneidezähne vor die oberen geschoben werden können – ein einfacher, aber klinisch hochrelevanter Test. Ist dies nicht möglich, gelingt in der Regel auch kein Biss auf die Oberlippe. Das weist auf eine eingeschränkte Beweglichkeit des Unterkiefers hin – ein bedeutsamer Prädiktor für eine erschwerte Sicht auf die Glottis, insbesondere bei der klassischen direkten Laryngoskopie, aber – je nach Ausprägung – auch bei der Videolaryngoskopie.

4. Mundöffnung: Messen Sie den Abstand zwischen den oberen und unteren Schneidezähnen – bzw. dem Zahnfleisch bei Zahnlosen. Liegt dieser unter 4 cm, sollte genauer differenziert werden – eine Mundöffnung unter 2 cm stellt sie einen hochrelevanten Risikofaktor dar.

5. Mallampati-Score (modifiziert nach Samsoon & Young): Bei maximaler Mundöffnung und herausgestreckter Zunge und ohne Lautäußerung klassifizieren Sie die sichtbaren Strukturen von Grad 1 bis 4.

 

Wichtiger Praxistipp: Bestimmte Einzelfaktoren – wie eine extrem eingeschränkte Mundöffnung oder eine nach ventral fixierte HWS – erfordern auch unabhängig von erreichten Score-Punktzahlen (s.u.) bereits eine Atemwegssicherung unter Spontanatmung.

Ergänzen Sie diese Untersuchung der klassischen anatomischen Prediktoren in fünf Schritten mit einer Anamnese-Erhebung über eine schwierige Atemwegssicherung und/oder über eine schwierige Oxygenierung - achten Sie hierbei besonders darauf, ob es Schwierigkeiten mit Maskenbeamtung und/oder SGA und/oder bei einer klassischen oder videolaryngoskopischen Intubation gab und ob ein macintosh-ähnlicher oder hyperangulierter Videolaryngoskop-Spatel bzw. ein Bronchoskop verwendet wurde.

 

2.2. Pathologisch veränderte Atemwege – differenziert einschätzen und gezielt handeln

Bei bekannten oder vermuteten pathologischen Veränderungen der Atemwege ist eine sorgfältige Vorbereitung essenziell. Ziehen Sie alle verfügbaren Befunde heran – etwa CT-Daten, Spiegelbefunde oder Endoskopieergebnisse – und nutzen Sie strukturierte Bewertungssysteme wie den transnasalen Videoendoskopie-(TVE)-Score zur differenzierten Risikoeinschätzung.

Erkennen Sie zusätzlich das Potenzial strukturierter Entscheidungshilfen: Das am 1. Mai veröffentlichte Tool „Expect-It“ bietet eine praxisorientierte, evidenzbasierte Unterstützung bei der Einschätzung, ob eine videounterstützte und/oder wach durchzuführende Intubation indiziert ist. Es integriert entscheidungsrelevante Informationen aus verschiedenen Quellen – wie dokumentierte Intubationsprobleme in der Anamnese, TVE-Befunde sowie Symptome pharyngolaryngealer Veränderungen – und bündelt diese zu einer klaren, fundierten Empfehlung.

Trainieren Sie die praktische Anwendung dieses strukturierten Entscheidungshilfesystem gezielt im Workshop: Auch wenn keine echte Anamneseerhebung möglich ist, lassen sich vorbereitete Atemwegstrainer mit simulierten Befunden nutzen, um gemeinsam mit den Instruktoren typische Konstellationen durchzuspielen, „Expect-It“ anzuwenden und Ihre Entscheidungsfindung zu schärfen. So entwickeln Sie ein sicheres Gespür für kritische Befunde – und bauen Routine im strukturierten Vorgehen auf.

In der klinischen Anwendung konnte „Expect-It“ bereits überzeugen: Es verbesserte die Indikationsstellung für videogestützte oder wache Intubationen deutlich und reduzierte atemwegsassoziierte Komplikationen messbar. Damit bietet es einen wertvollen Beitrag für ein vorausschauendes Atemwegsmanagement – besonders bei komplexen Befundkonstellationen.

 

2.3. Airway-Risiko-Scores gezielt nutzen – aber klinisch denken und differenziert trainieren

Erkennen Sie im Workshop, wie Sie etablierte Airway-Risiko-Scores – wie den el-Ganzouri- oder den Arné-Index – sinnvoll in die klinische Einschätzung integrieren können. Diese Scores helfen Ihnen, einzelne Risikofaktoren systematisch zu erfassen und deren Ausprägung numerisch zu bewerten. Eine hohe Punktzahl bei bestimmten Parametern oder eine entsprechend hohe Gesamtwertung kann durchaus auf ein erhöhtes Risiko für eine erschwerte Atemwegssicherung hinweisen.

Üben Sie im Workshop die strukturierte Anwendung dieser Scores an Fallbeispielen – und entwickeln Sie dabei ein Gefühl für deren Stärken, aber auch Grenzen. Vergleichen Sie gezielt die Gewichtung einzelner Parameter:

  • Der el-Ganzouri-Index berücksichtigt das Körpergewicht als eigenständigen Risikofaktor,
  • der Arné-Index bezieht zusätzlich pathologische Befunde und Symptome mit ein.
  • Eine eingeschränkte Mundöffnung fließt beim Arné-Index nur dann in die Bewertung ein, wenn zusätzlich keine Prognation möglich ist – ein entscheidender Unterschied im praktischen Einsatz.

Machen Sie sich die Grenzen dieser beiden Score-Systeme anhand eines einfachen, klassischen Beispiels bewusst:

Eine Mundöffnung von nur 1 cm lässt eindeutig auf eine erschwerte Atemwegssicherung – möglicherweise sogar auf eine erschwerte Oxygenierung – schließen. Dennoch würde dieser Befund, selbst bei begleitendem Mallampati-Grad 4, in keinem der beiden Scores eine Punktzahl erreichen, die die offensichtlich erschwerte Atemwegssicherung vorhersagt.

Airway Assessment

Im Gegensatz zu el-Ganzouri- und Arné-Index empfiehlt der „Expect-It“-Score in diesem Fall – bei einer nicht schmerzbedingt verminderten Mundöffnung unter 2 cm und einem Mallampati-Grad 4 - eine Wachintubation, da dieser Score auch eine erschwerte SGA-Platzierung berücksichtigt.

Bewerten Sie also kritisch die Risikoabschätzung von el-Ganzouri – und Arné-Index – ganz besonders in komplexen Situationen und trainieren Sie die differenzierte, klinisch-gestützte Gesamteinschätzung. Erkennen Sie hierbei, dass die besonders gefährliche Kombination mehrerer klassischer anatomischer Prädiktoren mit zusätzlichen pathologischen Veränderungen der Atemwege das Risiko für schwerwiegende, aber vermeidbare Komplikationen ganz erheblich erhöht:

Praxistipp: Trainieren Sie daher im Workshop die Anwendung des Entscheidungshilfesystems „Expect-It“. So verbessern Sie Ihre Fähigkeiten auch komplexe Situationen klinisch sicher einzuschätzen: Es bietet Ihnen eine validierte, moderne Entscheidungsgrundlage – gerade in schwierigen und mehrdimensionalen Fallsituationen – und hilft Ihnen dabei, die individuell beste Strategie sicher und fundiert zu wählen.

 

Kombinierte Risikoeinschätzung: Atemwegssicherung und Oxygenierung

Verstehen Sie die Systematik hinter den vier in den Tabellen 1 bis 4 der DGAI-Leitlinie beschriebenen Prädiktorengruppen – und erkennen Sie insbesondere, wie wichtig die gemeinsame Bewertung dieser Risikofaktoren ist, um klinisch relevante Schnittmengen erkennen zu können:

Die Leitlinie differenziert zwischen Kriterien für

  1. eine erschwerte Maskenbeatmung,
  2. eine erschwerte klassische Intubation,
  3. eine erschwerte videolaryngoskopische Intubation und
  4. eine erschwerte Platzierung bzw. Oxygenierung mit einem supraglottischen Atemweg (SGA).

Achtung! Wichtig: Machen Sie sich bewusst, dass einzelne Prädiktoren – abhängig von ihrer Ausprägung – in mehreren - oder sogar in allen– Gruppen gleichzeitig eine Rolle spielen können. Gerade diese Überschneidungen sind klinisch besonders relevant, da sie sowohl die Oxygenierung als auch die Atemwegssicherung erschweren – und somit eine klare Indikation für ein strategisch angepasstes Vorgehen darstellen:

 

3.1 Klassische anatomische Prädiktoren – mehrfach relevant

So stellen einige anatomische Befunde gleich in mehreren Kategorien Risikofaktoren dar – und haben daher besonderes Gewicht:

Klassische anatomische Einschränkungen wie eine reduzierte Mundöffnung oder eine eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule finden sich – je nach Schweregrad – in allen vier Risikogruppen. Sie können also nicht nur eine Oxygenierung mittels Maskenbeatmung deutlich erschweren, sondern auch die Oxygenierung bzw. Platzierung eines SGA sowie die klassische aber auch eine videolaryngoskopische Intubation beeinträchtigen – bis hin zur völligen Unmöglichkeit.

Auch eine eingeschränkte Prognationsfähigkeit ist weit mehr als ein technisches Detail: Sie erschwert nicht nur die klassische und videolaryngoskopische Intubation, sondern auch die effektive Maskenbeatmung – und hat damit auch unmittelbaren Einfluss auf die Oxygenierbarkeit.

Ein Mallampati-Score vom Grad 3 oder 4 wird im klinischen Alltag häufig unterschätzt. Zwar gilt er laut DGAI-Leitlinie nicht als Prädiktor für eine erschwerte videolaryngoskopische Intubation, wird dort jedoch ausdrücklich als relevanter Risikofaktor genannt – sowohl für eine klassische Intubation als auch für eine erschwerte Oxygenierung mittels Maskenbeatmung oder supraglottischem Atemweg (SGA).

Ein BMI > 30 kg/m² gilt als Prädiktor für eine erschwerte Maskenbeatmung – während eine morbide Adipositas darüber hinaus insbesondere die Funktion eines supraglottischen Atemwegs erschweren kann.

Wichtiger Praxistipp: Erkennen Sie hier, dass nicht die Einzelbefunde entscheidend sind – sondern ihr Zusammentreffen in mehreren der vier Risikogruppen der DGAI-Leitlinie.

3.2 Funktionelle und klinische Prädiktoren – relevante Überschneidungen richtig einschätzen

Nicht nur anatomische, sondern auch funktionelle und klinische Faktoren haben erheblichen Einfluss auf die Wahl und Sicherheit Ihrer Atemwegstechnik.

Eine unzureichende Narkosetiefe wird in allen vier Prediktorentabellen der DGAI-Leitlinie genannt: Sie erhöht das Risiko für Laryngospasmus, unkoordinierte Abwehrbewegungen und erschwert damit sowohl die Maskenbeatmung als auch die sichere Anwendung von SGA oder Intubation.

Pathologisch veränderte Atemwege – etwa bei Tumoren, postoperativen Veränderungen, Blut oder Sekret in Mund und Rachen – erschweren nicht nur die Sicht, sondern beeinträchtigen auch die Effektivität der Maskenbeatmung und SGA. Insbesondere die Verschmutzung der Optik ist eine reale Limitation bei der Videolaryngoskopie.

Zahnlosigkeit oder ein deutlich eingeschränkter Zahnstatus sind typische Prädiktoren für eine erschwerte Maskenbeatmung – und können auch die Effektivität eines SGA negativ beeinflussen.

 

3.3. Kombinierte Risikoeinschätzung im Praxistest bei simuliertem schwierigem Atemweg

Zum Abschluss wenden Sie den geübten Untersuchungsablauf an und analysieren, wie sich eine Immobilisation durch eine Halskrause auf Ihre Untersuchungsergebnisse auswirkt. Besonders die Beurteilung der Mundöffnung sowie die Beweglichkeit zwischen Flexion und Reklination wird hierbei eingeschränkt. Stellen Sie fest, ob und in welchem Ausmaß hierdurch auch weitere Untersuchungsbefunde - so wie der thyreomentale Abstand und der Mallampati Score sich durch das Anlegen der Halskrause verändern.

So bekommen Sie ein Gefühl für die Erhebung von Prediktoren für eine erschwerte Atemwegssicherung und erleben auch unmittelbar, wie sich Immobilisationsmaßnahmen – etwa im präklinischen oder notfallmedizinischen Umfeld – auf die Airway-Evaluation auswirken.

Vergleichen Sie hierbei el-Ganzouri-Index und Arné-Index und reflektieren Sie kritisch, welcher Score sich als orientierende Check-Liste und als erste Abschätzung für eine Gewichtung der Risikofaktoren für Ihr klinisches Umfeld am besten eignet.

 

Fazit: Besser einschätzen – klüger entscheiden

Erkennen Sie: Nur durch eine differenzierte und kombinierte Einschätzung der relevanten Prädiktoren können Sie im klinischen Alltag individuell, vorausschauend und leitlinienkonform entscheiden, welches Vorgehen bei welchem Patienten die größte Sicherheit verspricht.

Nutzen Sie dieses Wissen gezielt, um Ihre Strategie nicht auf Basis einzelner Faktoren, sondern auf Grundlage des gesamten Risikoprofils anzupassen – je nach Untersuchungsergebnis, Erfahrung und Ressourcen. Das hilft Ihnen, kritische Situationen nicht nur zu meistern – sondern von Anfang an zu vermeiden.